"Wer die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd"

Kunstaktion: Verhüllung des Engels-Denkmal in Wuppertal

In einer spektakulären Kunstaktion haben die Else Lasker-Schüler-Gesellschaft und die Armin T. Wegner Gesellschaft das (chinesische) Engels-Denkmal in Wuppertal verhüllt. Die Aktion fand am Freitag, den 27.11.2020 statt, einen Tag vor dem 200. Geburtstag des in (W.-)Barmen geborenen Philosophen und Mitautors des Kommunistischen Manifestes. Und nur wenige Tage vor den zu Gefängnisstrafen verurteilten Menschenrechtsaktivisten Yoshua Wu, Agnes Chow und Ivan Lam: junge Menschen, die sich schuldig bekennen mussten, um Widerstand zu leisten.  

Die beiden Wuppertaler Literaturgesellschaften verstehen diese Aktion als ein Zeichen der Solidarität mit den in  Hongkong für ihre Freiheitsrechte und die Demokratie demonstrierenden Menschen, den unterdrückten Minderheiten in China, aber auch für die friedlichen Protestler in Belarus.

 

Bei dieser Solidaritäts-Kunstaktion wurde die knapp vier Meter hohe Skulptur von einem schwarzen Tuch verhüllt, auf dem sich ein Zitat des in Wuppertal geborenen Schriftstellers, Journalisten und Menschenrechtskämpfers  Armin T. Wegner  in lateinischen und chinesischen Lettern befindet: "Wer die Wahrheit spricht, braucht ein schnelles Pferd". Das Zitat hatte Wegner während seines  Aufenthaltes im Osmanischen Reich entdeckt; für Uli Klan, Vorsitzender der nach Wegner benannten Literaturgesellschaft, ein weltweit gültiger Satz, der die Bedrohung aller Menschen bezeichnet, die in totalitären Systemen unbequeme Wahrheiten aussprechen. Sie müssten mit Repressalien, Tod und Verfolgung rechnen.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Fotos: Will Barczat

Die Engels-Skulptur im Stile des sozialistischen Realismus war 2014 ein Geschenk der Volksrepublik China an die Engels-Geburtsstadt Wuppertal. Die beiden Literaturgesellschaften hatten schon damals gegen Herkunft und Form der fast vier Meter hohen Bronzefigur protestiert. Aber die Schwebebahnstadt hoffte auf Exporte nach China und viele chinesische Touristen an der Wupper, obwohl es hier bereits eine sehenswerte Marmor-Skulptur zu Engels gab: "Die starke Linke" von Alfred Hridlicka.

 Friedrich Engels hat sein philosophisches und politisches Konzept unmittelbar aus der Anschauung der damaligen menschenunwürdigen sozialen Verhältnisse im "deutschen Manchester" an der Wupper entwickelt, von denen er in seinen „Briefen aus dem Wupperthal“ berichtete. "Engels würde es für einen Treppenwitz der Geschichte halten, dass ausgerechnet China für sich Anspruch nimmt, das geistige Fundament seiner und Marx‘ Philosophie verwirklicht zu haben. Der Ästhet Engels hätte sich über sein bronzenes Ebenbild gewundert. Gute Kunst sieht anders aus. In Hongkong oder in Peking wäre er verhaftet worden, lebte er heute.


Daher ist die Idee der Verhüllung ein notwendiges symbolisches Zeichen. Die Form der Verhüllung hat eine lange Tradition in Religion und Kunst; sie versinnbildlicht bei Beuys, Christo, Man Ray, Tapies bis Kosuth eine Haltung der Scham, verrätselt das Verborgene, rückt es in die Sphäre des Geheimnisvollen und regt den Betrachter zu einer „entdeckenden“ Auseinandersetzung an", erklärte Hajo Jahn, Vorsitzender der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, die sich auch als zeitkritisch agierende Literaturvereinigung versteht. Die Kunstaktion wurde unter Einhaltung aller Corona- Sicherheits-Vorgaben durchgeführt.

 

In einer Uraufführung beschlossen Chun-Hsien Wu und Joachim Cloesters, der die Idee zu der Verhüllungsaktion hatte, mit einer Tai Chi Performance die Kunstaktion, für die Uli Klan ein Musik komponiert hatte: "steine in fluss bringen" /ruanhua shtou.

Die Kunstaktion im WDR und der Westdeutschen Zeitung

Das Interview, das Claudia Dichter im WDR 5 Kulturmagazin Scala mit Hajo Jahn, dem Vorsitzenden der Else Lasker-Schüler-Gesellschaft, können Sie als hier als Podcast hören bzw. downloaden. 

 

Zum Artikel der Westdeutschen Zeitung gelangen Sie hier:  Warum die Engelsstatue in Wuppertal schwarz trägt 

 

Ein kurzes Video der Westdeutschen Zeitung sehen Sie hier: Video WZ